Der Herbst ist eine Jahreszeit, bei der man anhand der Blätter an den Bäumen visuell den Farbübergang von grün nach rot beobachten kann. Eine Jahreszeit, welche für einige Menschen auch eine Art Übergangsphase und Vorbereitungszeit auf den anstehenden Winter ist. Sie steht aber auch für die Zeit der Reife und des Loslassens. Passend dazu will Disney mit “Die Eiskönigin II” seinen Beitrag leisten und die Zuschauer noch mehr auf diese bunten Jahreszeit einstimmen. Inwiefern der Herbst tatsächlich eine Rolle in diesem Sequel spielt verraten wir euch in der folgenden Kritik
Plot
Elsa (Indina Menzel) und Anna (Kristen Bell) leben wieder gemeinsam in Arendelle, nachdem sie ihr Königreich vor Hans’s bösen Machenschaften bewahrt haben. Doch eines Tages wird Elsa von einer singenden Stimme gerufen. Eine Stimme hinter der Nebelwand aus dem verzauberten Wald weit im Norden des Landes, aus der Elsa und Anna eine Geschichte kennen, die sie beide aus Kindertagen von ihren Eltern erzählt bekamen.
Doch was hat es mit der Stimme auf sich?
Wieso ist Elsa die einzige, die diese Stimme hört?
Was hat es mit ihrer Zauberkraft zu tun?
Und wie steht das alles mit Elsas und Annas Eltern in Verbindung?
Elsa hört eine nach ihr rufende Stimme. Doch was will diese Stimme von ihr?
Eine gute Fortsetzung braucht Zeit
Mit Chris Buck und Jennifer Lee (Co-Regie und Drehbuchautorin) kehrt nicht nur das gleiche Regisseuren-Duo zurück auf dem Regiestuhl, sondern auch das Songwriter-Duo Kristen und das Robert Lopez, die maßgeblich am Hit Song “Let It Go” beteiligt waren. Damit ist erneut das gleiche Team zusammen, das nun auch für das Sequel verantwortlich ist. Und das aus einem guten Grund. Denn “Die Eiskönigin” spielte bei dem Kinokassen weltweit mehr als 1,2 Milliarden Dollar ein. Damit wurde der Film zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten und ist es bis zum Zeitpunkt dieser Kritik immer noch. Ein Erfolg, der dazu führte, dass Töchter dieser Welt bei Halloween oder ähnlichen Gelegenheiten sich seitdem als die Eiskönigin Elsa verkleiden wollen. Dazu sorgte der Hit Songs “Let It Go” dafür, dass Kinder in Dauerschleife entweder das Lied nachgesungen oder gehört haben. Da war es offensichtlich, dass es bei der so großen Resonanz ein Sequel unabdingbar war. Jedoch hätten an dieser Stelle Branchenkenner nicht mit einer Erscheinung erwartet, welches bis November 2019 auf sich warten lässt. Und auch hier aus einem gutem Grund. Denn für die Regisseure sowie auch dem Produzenten (Peter Del Vecho) war es wichtig mit Bedacht an die Fortsetzung heran zu gehen, da gerade mit dem Erfolg des ersten Teils ein Film auf die Leinwand gebracht wurde, der bei vielen jungen Zuschauer wie erwähnt, weltweit gut ankamen sowie bei vielen Kindern eine besondere Verbindung zum Film hervorruft. Dementsprechend bestätigte auch Peter Del Vecho im Rahmen eines Interviews bei Global News, dass der Druck für eine Fortsetzung durchaus groß war. Umso wichtiger war es für das Team hinter diesem Sequel unmittelbar nach dem ersten Film eine Auszeit zu nehmen und später zunächst nur an einem Kurzfilm zu arbeiten. Für die Fortsetzung unternahm man eine Reise nach Norwegen, Finnland und Island, um umfangreiche Forschungs- und Recherchearbeiten zu betreiben sowie inspirativen Freiraum zu schaffen mit dem Ziel eine Geschichte zuschreiben, die auch einer Fortsetzung würdig ist.
Arbeit die sich sehen lassen kann
All diese Arbeit ist auch in “Die Eiskönigin II” erkennbar eingeflossen.
Man hat sich hierbei viel mit der Psyche der Charaktere beschäftigt, indem man sich Fragen stellte wie:
Wo befinden sich die Charakter derzeit?
Was hat sich nach den Ereignissen des ersten Teils für Elsa, Anna, Kristoff und Olaf geändert?
Wie sind die zwischenmenschlichen Beziehungen der Charakter zueinander jetzt?
Diese Fragen und sicherlich noch Weitere bilden eine Art Ausgangspunkt für die Hauptprotagonisten, in der wir sie einige Jahre nach ihrem ersten Abenteuer wiederfinden. Die Dialoge und die Interaktionen wirken dementsprechend stets organisch und den Charakteren entsprechend. Zu Sehen ist es besonders bei Elsa und Anna bereits in den ersten Minuten des Films. Obwohl Elsa verstanden hat, dass die jahrelange Angst vor ihrer eigenen Zauberkraft für sie das größte Hindernis darstellte und letztlich die Liebe zu ihrer Schwester der Schlüssel für die Kontrolle ihrer immer stärkere werdenden Macht ist, ist Elsa nicht komplett von all ihren Zweifeln befreit.
Anders als bei Anna, die Elsa als Königin von Arendelle nach wie vor ihr vollstes Vertrauen schenkt und sehr glücklich über ihre derzeitige Lebenssituation ist. Denn nach all den Erlebnissen in der Vergangenheit ist Anna mit ihrer Schwester wieder vereint. Zudem führt sie mit Kristoff, Sven und Olaf an ihrer Seite ein friedliches Leben. Aber es sind nicht ausschließlich Elsa und Anna, die sich zwischenzeitlich ein Stück weit verändert haben.
Geschichtenzeit mit Königin Iduna und ihren zwei Töchtern Elsa und Anna.
Passend zur anbrechenden Herbstzeit in Arendelle widmet Olaf sich der Frage, was es bedeutet sich als Mensch (was er nicht ist) zu verändern und als Mensch zu reifen.
Kristoff und Sven bleiben nach wie vor unzertrennlich, auch wenn Kristoff mit Anna eine weitere Person mehr in seinem Leben dazu zählen darf, die ihm sehr nahe steht. Eine Nähe die für Kristoff unersetzlich ist, sodass er den Versuch unternimmt Annas Hand anzuhalten. Ob dies jedoch klappt, müsst ihr selbst für euch herausfinden.
Eine bunte Welt mit einer dunklen Vergangenheit erwarten Elsa und Anna
Mit der Fortsetzung entfernt man sich größtenteils vom Königreich Arendelle und ein Stück weit von der damals plötzlich ausgebrochenen Schneelandschaft seines Vorgängers. Die Protagonisten begeben sich dieses mal auf eine Mission in Richtung Norden des Landes. Dort sollen Elsa und Anna hinter der Nebelwand den verzauberten Wald finden, wo noch weiter darüber hinaus die Antworten zu ihren Fragen sich befinden.
Elsa, Anna, Kristoff, Sven und Olaf kurz davor den verzauberten Wald einzutreten.
Auf der Reise dahin begegnen unsere Protagonisten eine bisher unbekannte Welt mit unterschiedlichen Schauplätzen, wo mystische Wesen und Geister heimisch sind. Eine Welt in der ebenfalls der Herbst sehr präsent ist, aber nie Details des neuen Settings vorenthalten werden. Im Gegenteil, trotz der allgegenwärtigen Inspiration für Herbstlandschaften existieren mit fortschreiten der Handlung Schauplätze, die sich alle merklich unterscheiden. Sei es in der atmosphärischen oder inszenatorischen Art und Weise.
Das beginnt von der farbenfrohen Natur, düsteren mystischen Höhlen bis hin zu hohen, unbändigen Meereswellen am Strand. Dabei ist die Animationstechnik in ganz gewohnter hoher Disney-Manier zu sehen.
Detailreich, sehr natürlich wirkend, homogen, atmosphärisch, stellenweise bildgewaltig und wie erwartet zauberhaft, wenn es zur Inszenierung der Musikeinlagen kommt.
Music-Acts in zauberhafter Disney-Manier
Ohne Zweifel kann man sagen, dass die Lieder dieser Fortsetzung Potenzial für den einen oder anderen Ohrwurm haben und nicht enttäuschen. Auch wenn dieses mal keine Lieder vorkommen, die gleichermaßen so catchy wie “Let It Go” oder “Do You Want to Build a Snowman” existieren, sind alle Musikeinlagen auf einem hohen, respektablen Niveau geschrieben. Herausstechend sind ohne Zweifel Indina Menzels Performances.
Elsas Magie wird immer stärker. Sie kann nicht anders und folgt der Stimme ins Ungewisse.
Sie ist so hervorragend, dass einige Zuschauer ganz sicher für einen Moment Gänsehaut bekommen werden. Es ist allgemein lobenswert und mutig wie Kristin und Robert Lopez bewusst andere Wege gehen und nicht akribisch versuchen ihren Hit Song “Let It Go” in irgendeiner Art und Weise zu rekonstruieren. Die Musikeinlagen dienen dabei immer der Narrative und sind – wie es auch schon beim Vorgänger der Fall war – niemals deplatziert. Sie wirken organisch aus der Situation der Handlung heraus geboren. Gepaart mit der Filmmusik von Christophe Beck sind Schlüsselmomente stets mit den richtigen emotionalen Ton untermalt.
Olaf glänzt als geheimer Star
Neben dem groß inszenierten Musical Aspekt stechen auch andere unterhaltsame Aspekte heraus, die dem Film eine Leichtigkeit verleihen. Und das besonders in Form eines noch etwas wenig erfahrenen und naiven Schneemann namens Olaf. Olaf wurde generell eine längere Screentime gewidmet, in der er nicht nur seine Wandlungsfähigkeit ab und zu unter Beweis stellt oder gesangsmäßig darüber philosophiert, dass man als Erwachsener später alles versteht, was man als Jungspund sich nicht erklären kann. Neben seinem sängerischen Talent entpuppt sich Olaf als ein ganz toller Geschichtenerzähler. Und das auf einer Art und Weise, die man nicht unbedingt als Zuschauer erwarten hätte. Daher ist es pflicht bis zum Ende nach der Post-Credit-Szene auf dem Kinositz zu bleiben.
Olaf ist und bleibt die Konstante der Unterhaltung
Wenn es schwierig wird, wird es einfach gelöst
Trotz aller zauberhaften Momente und auch komplexen Entwicklungen, die der Plot annimmt, kann man dem Film vorwerfen, dass in schwierige Situationen, in der sich die Protagonisten befinden ähnlich wie im Vorgänger Drehbuchtechnisch einfach und schnell gelöst werden.
Die Risikobereitschaft Charaktere in Situationen zu schreiben, wo eine spürbare Aussichtslosigkeit eines bevorstehenden Wendepunkts vorherrschen könnte, ist eigentlich zu keinem Zeitpunkt gegeben. So sind Handlungsmomente wie der Showdown auch für den etwas mehr geschulten Filmzuschauer wenig überraschend.
Doch das fällt bedingt ins Gewicht, denn die Zuschauerschaft, welche die Reise von Elsa und Anna seit Minute eins in “Die Eiskönigin” mitbegleitet und gefallen haben, werden auch hier um ihre Charakter mitfiebern und emotional berührt sein. Denn den Zuschauern, die diese Art der Narrative mögen, wissen auch worauf sie sich einlassen.
Es ist eine Narrative, die früh im Film das Ziel des Abenteuers vorgibt. Aber je weiter die Reise für Elsa und Anna voranschreitet, entfaltet sich die Handlungsstruktur zu einer immer mehr umfassenderen, neu vernetzten Geschichte. Unsere Charaktere stehen dabei aus ihrer Sicht vor schwierigen, teilweise unumkehrbaren Entscheidungen.
Es ist eine Narrative, die sich auf die Veränderung der Charaktere und ihren bevorstehenden Hindernisse konzentriert an den sie sich messen, zweifeln, wachsen und reifen.
Fazit
Die Eiskönigin 2 ist ohne Zweifel eine gelungene Fortsetzung geworden und beantwortet offene Fragen, die man sich eventuell bereits beim Vorgänger gestellt hatte sehr zufriedenstellend.
Chris Buck und Jennifer Lee sind in der Lage die Fortsetzung narrativ sinnvoll nach dem ersten Film anzuknüpfen und eine komplexere Story zu konstruieren, bei der wir als zurückkehrende Zuschauer noch investierter bei der Handlung bleiben. Ihnen ist dabei bewusst, welche Zuschauer sie mit den Film schlussendlich ansprechen werden. So wie Elsa, Anna, Kristoff und Olaf während ihres Abenteuers reifen, ist auch die Zuschauerschaft um 6 Jahre älter geworden.
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